Energie-Kommune des Monats: Fulda

April 2024

Klimaschutz ist kein neues Feld für die Stadt Fulda. Die Energie-Kommune des Monats April erarbeitet zurzeit ein Nachfolgekonzept für ihr Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2013: mit Bürger*innen und Unternehmen. Das Ausbaupotenzial für Erneuerbare in der Stadt ist begrenzt. Aus diesem Grund setzt die Kommune auf achtsame und innovative Nutzung der Ressourcen wie etwa die Wärmegewinnung aus Abwasser.

Stadt Fulda/Bildstürmer Stadt Fulda/Bildstürmer

In Osthessen, mitten im Dreiländereck Hessen, Bayern und Thüringen, am gleichnamigen Fluss liegt die Stadt Fulda. Die 70.000 Einwohner*innen zählende Kommune ist zudem Kreisstadt des Landkreises Fulda. Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sind hier keine Gegensätze: Die nahegelegene Rhön ist genauso wichtig wie das städtische Grün und der Kampf gegen eine Versiegelung der Stadt. Zudem trägt Fulda den Titel „Fairtrade-Stadt“ und kämpft als erste deutsche Sternenstadt gegen Lichtverschmutzung. Seit 2019 trägt die Kommune diesen Namen und verfolgt damit die Strategie, „künstliches Licht standort- und bedarfsgerecht einzusetzen“, so heißt es in der Beleuchtungs-Richtlinie. „Zu viel und vor allem falsch gerichtetes, schlecht gesteuertes Licht in kalten Lichtfarben führt zu einer Aufhellung des Himmels. „Diese Lichtglocke beeinträchtigt nachweislich das Leben vieler nachtaktiver Arten, stört Pflanzen und belastet die Gesundheit der Menschen.“

Seit den 1990er Jahren engagiert sich die Kommune im Klimaschutz, ist Mitglied der Klima-Kommunen in Hessen, organisiert Veranstaltungen zum Thema Klimaschutz und erarbeitet derzeit einen Nachfolger für das 200-seitige, 51 Handlungsempfehlungen umfassende integrierte Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2013. Über allem schwebt dabei die Schaffung eines Weges, bis 2040 treibhausgasneutral zu sein.

Teil der Fortschreibung des integrierten Klimaschutzkonzeptes der Stadt Fulda 2040 ist die Beteiligung der Einwohner*innen. Vier Workshops halfen, neue Ideen zur Weitererarbeitung in Arbeitsgruppen zu entwickeln, aber auch Hindernisse und etwaige Hemmnisse zu identifizieren und zu adressieren. Im Juli dieses Jahres soll das Konzept fertiggestellt und anschließend durch die städtischen Gremien beschlossen werden.

Der Gesamtenergiebedarf Fuldas beläuft sich auf 3.150 Gigawattstunden (GWh). Bisher werden mit acht Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) und unter anderem auch 1.413 Photovoltaik-Anlagen lediglich 28 GWh Strom vor Ort erzeugt. Das entspricht einem Anteil von 4,4 Prozent. Der Wärmebedarf der Kommune wird zu 1,2 Prozent mit Erneuerbaren Energien gedeckt: Solarthermie, Holz, Umweltwärme und Biomasse produzieren 25 GWh. Der Großteil des Energiebedarfs kann derzeit nur über Importe erfolgen. Umso drängender ist es, wie die Stadt richtig erfasst hat, die eigenen Potenziale stärker zu heben. Diese liegen durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien bei immerhin 1.013 GWh, wie die Potenzialanalyse der Stadt zeigt. Richtungsweisende Projekte wie das Löhertor-Quartier und die Biogasanlage „Am Finkenberg“ helfen der Stadt und der Region, die Potenziale zu nutzen und andere Kommunen zu inspirieren.

Das Löhertor-Quartier umfasst die Zentrale der RhönEnergie Fulda, den Neubau des Finanzamtes, Das Löhertor-Quartier, in dem auch der kommunale Energieversorger seinen Sitz hat, bezieht einen Großteil der benötigten Wärme aus Abwasser. Foto: RhönEnergie Fuldazahlreiche Wohngebäude und ein Hotel: rund 30.000 Quadratmeter Nutzfläche. Die Energie für das Quartier wird aus Abwasser gewonnen. Unter der Straße an der Außenseite des Quartiers befindet sich eine große Abwasser-Rohrleitung des Abwasserverbandes Fulda (AVF). Das hier fließende häusliche und gewerbliche Abwasser enthält Wärme, die genutzt werden kann. Hierfür wurde 2022 eine Schachtsiebanlage installiert. Diese filtert 100 Kubikmeter Abwasser pro Stunde, bevor es einem Wärmetauscher im Keller des neuen Finanzamtes zugeführt wird: 100 Kubikmeter pro Stunde. Hier wird dem selbst im Winter acht bis elf Grad warmen Abwasser Energie entzogen, die wiederum die Soleflüssigkeit im Wärmetauscher erwärmt. Im Anschluss daran wird die Temperatur der Soleflüssigkeit mittels einer durch eine Photovoltaik-Anlage (PV) betriebenen Wärmepumpe auf 48 bis 58 Grad Celsius erwärmt. Eine Wärmetrasse ermöglicht es, bei Revisionsarbeiten Wärme aus anderen Gebäuden zur Energiezentrale umzuleiten. Im Sommer kann die aus dem 16 bis 18 Grad Celsius warmen Abwasser gewonnene Energie als Wärmesenke zum Kühlen des Quartiers genutzt werden. Insgesamt stehen so 600 Kilowatt (kW) Leistung zum Heizen und 400 kW Leistung zum Kühlen zur Verfügung. Das ganze Jahr über kann somit eine bedeutende Menge klimaschädigendes CO2 eingespart werden, eine ressourcenschonende Dekarbonisierung des Wärme- und Kältebedarfs im Quartier.

Den Strom bezieht es neben weiteren PV-Anlagen auf den einzelnen Gebäuden durch ein Blockheizkraftwerk, welches mit Biomethan betrieben wird. Der Großteil dessen stammt aus der Biogas-Anlage „Am Finkenberg“ der „Biothan GmbH“, einer Tochterfirma der RhönEnergie Fulda. Damit ergibt sich für das Quartier Löhertor ein Primärenergiefaktor von 0,00 – die benötigte Energie wird komplett CO2-neutral über die gesamte Lieferkette bereitgestellt.

Die zuvor erwähnte Biogas-Anlage „Am Finkenberg“ gilt als Leuchtturmprojekt. Das aus Bio-Abfällen Die Biothan-Anlage der RhönEnergie Fulda gilt bundesweit als Leuchtturm in der Verwertung von organischen Reststoffen zur Gewinnung von Bio-Erdgas. Foto: RhönEnergie Fulda gewonnene Biogas wird zu Biomethan umgewandelt und kann dadurch ins Erdgasnetz gespeist werden. Eine Nassvergärung (jährlich 6.500 t Gülle und 26.000 t Lebensmittelabfälle) und eine Trockenvergärung (jährlich 32.000 t organische Gewerbeabfälle und Inhalte der braunen Tonne) produzieren rechnerisch Bio-Methan für Heizenergie von 2.400 Haushalten. Eingesetzt werden kann das Methan darüber hinaus auch für Strom- und Prozesswärme in Gasturbinen, zum Betanken von Erdgasfahrzeugen und zur Erzeugung von Warmwasser. PV-Anlagen auf den Dächern und eine Freiflächenanlage decken den Eigenbedarf der Anlage und speisen erneuerbaren Strom ins Netz ein.

Entwickler des Löhertor-Quartierskonzepts sowie Ersteller und Betreiber der Biothan-Anlage ist der kommunale Energieversorger RhönEnergie. Dr. Arnt Meyer, Geschäftsführer der RhönEnergie Gruppe, ist stolz auf das Engagement seines Unternehmens für den Klimaschutz. Meyer erklärt: „Wir sehen uns als kraftvoller Motor der Energiewende in unserer Region und freuen uns, dass wir im engen Schulterschluss mit der Stadt so viel voranbringen konnten. In unseren Bemühungen werden wir in Zukunft noch mehr Tempo machen.“ Dafür nennt er zwei Beispiele: Die RhönEnergie Gruppe will in den nächsten Jahren insgesamt 100 Millionen in Windparks und PV-Anlagen investieren, um noch mehr grünen Strom zu erzeugen. Weitere 100 Millionen Euro will die Gruppe in ihr Stromnetz investieren – insbesondere, um noch mehr grünen Strom zu Unternehmen und Haushalten zu bringen.

Stadt Fulda/Johannes HellerFulda ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Offenheit, Innovation und Vielfältigkeit der Erneuerbaren helfen, Ressourcen effizient zu nutzen. Dies zeigt sich auch im nachhaltigen Rechenzentrum der Stadtverwaltung Fulda. Die Kommune setzt hier nicht auf energieintensive Kältemaschinen, sondern auf geothermale Energie. Das Rechenzentrum im umgenutzten Luftschutzbunker macht sich eine Kombination aus Erdkühlung, moderner Freikühlung zur Hot-Spot-Kühlung und Abwärme zunutze. So wird beispielsweise die Abwärme des Rechenzentrums zum Beheizen der angrenzenden Halle eingesetzt.

Die Hochschule Fulda beteiligt sich ebenso wie die Verwaltung, die ansässigen Unternehmen und die Bürger*innen Fuldas am Klimaschutz. Neben entsprechenden Studiengängen finden auch konkrete Projekte aus dem Hochschulbetrieb Anwendung in der Kommune. So findet sich auf dem Gelände des Klinikums Fulda ein Zwischenspeicher, der ausgedienten Batterien aus Elektrofahrzeugen eine zweite Anwendung schenkt (Second Life). Der Speicher in Form eines Containers, von der Hochschule Fulda und der OsthessenNetz GmbH entwickelt, speichert die nicht genutzte Energie aus den zwei Blockheizkraftwerken der Klinik und kann so zum Laden von Autos genutzt werden. Damit kann auch dort schnelles Laden von E-Pkw erfolgen, wo das Stromnetz noch nicht dafür ausgelegt ist. Zwei der vier Ladepunkte sind Schnellladepunkte. Das Klinikum kann seinen Strombedarf zu 90 Prozent selbst decken und nutzt ebenfalls Abwärme zum Heizen im Winter sowie dank einer Absorptionsanlage zur Kühlung im Sommer. Die PV -Anlage der Klinik verfügt über 250 kW Maximalleistung.

E-Mobilität spielt in Fulda in vielerlei Hinsicht eine Rolle. Der Fuhrpark der Verwaltung wird beispielsweise stetig auf Elektrofahrzeuge, Pedelecs und Lastenfahrräder umgestellt. Der kommunale Energieversorger RhönEnergie Fulda betreibt 413 Ladesäulen in seinem Versorgungsgebiet. Darüber hinaus stehen seit 2021 unter dem Namen „share+go“ den Bürger- und Besucher*innen E-Fahrzeuge an festen Standorten zur Verfügung, an denen sie nach der Fahrt auch wieder abgegeben werden müssen.

Die Auszeichnung zur Energie-Kommune des Monats steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.